"Geh mal Bier holen":
Der Kermit Roboter von Cyan Engineering

Kermit ist ein Roboter, der 1978 von Ataris Forschungsgruppe Cyan Engineering im Grass Valley entwickelt wurde.


Entwicklung

Am Anfang war das Wort – oder vielmehr eine Idee von Nolan Bushnell. Er wies sein Forschungsteam bei Cyan Engineering an, ihm einen Roboter zu entwickeln, der ihm auf Kommando ein Bier bringen könnte. Die Inspiration zu diesem Projekt dürfte im Kinofilm Star Wars liegen, der in den US-Kinos am 25. Mai 1977 anlief und schnell zum Kassenschlager wurde – oder vielmehr in einem der Charaktere, nämlich dem Astromech-Droiden R2-D2. Beinahe ein Jahr später erhielten Al Alcorn, Steve Bristow, Nolan Bushnell und Joe Keenan ein internes Memo von Ron Milner und Larry Nicholson unter dem Titel Proposal – Kermit the Robot. Angedacht war Kermit als Weiterentwicklung bzw. als Ergänzung zum derzeit ebenfalls in Entwicklung befindlichen Projekt Colleen, aus dem bis 1979 die Heimcomputer 400 und 800 entstanden. Am 26. Mai wurde das Projekt von der Atari-Leitung zur Entwicklung freigegeben.

Cyan Kermit
Der Kermit-Prototyp
Bild: atarimuseum.com

Während der Entwicklung wurden auch die Möglichkeiten zur Integration von Spielen sowie Zubehör für den Roboter entwickelt. Beispiele sind ein erweiterter Antrieb, der den Roboter tanzen lässt, Lampen, weitere Sensoren, um beispielsweise einer Linie auf dem Boden folgen zu können, selbst eine Wasserpistole wurde dafür entwickelt, mit der Kermit seinen Besitzer beschießen kann. Im September 1978 begannen die Arbeiten an der Robotersprache Robol, die es erlaubt, vom Computer einfache englischsprachige Kommandos zu empfangen und sie in seine eigene Sprache umzuwandeln. Bei einem Testlauf im Oktober 1978 wird festgestellt, dass Kermit auf Teppichboden nicht navigieren kann, daraufhin mussten die Räder verbreitert, das Gewicht reduziert und der Schwerpunkt verlagert werden. Etwa ab Dezember wurde Robol als Fehler betrachtet, es wurde auch zunehmend schwieriger, Kermit neue Tricks beizubringen bzw. einzuprogrammieren. Auch wuchs der Druck von oben, Cyan müsse endlich Ergebnisse vorlegen, ansonsten würde das Projekt eingestellt. Zwei Wochen später schaffte es Kermit dann, mit Hilfe der Ultraschallsensoren unfallfrei in den Cyan Laboratories umherzufahren. Nichtsdestotrotz wurde das Projekt Kermit am 21. Januar 1979 von der neuen Atari-Geschäftsführung unter Ray Kassar eingestellt. Die Personen, die bisher für das Projekt waren, hatten mittlerweile andere Aufgabenfelder. Nolan Bushnell war im Begriff, Atari den Rücken zu kehren, Joe Keenan wurde auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden versetzt und Steve Bristow hatte die Aufgabe, die Pinball Division abzuwickeln.

Der Kermit-Prototyp durfte aber auch nach der Einstellung des Projekts frei durch die Räume der Cyan Laboratories fahren, er hatte sogar einen eigenen Mitarbeiterausweis und war somit der einzige nichtmenschliche Angestellte Ataris neben Jay Miners Hund Mitchy. Owen Rubin nahm Kermit einige Zeit danach zu Atari in die 1272 Borregas Avenue mit, wo er zuerst nur in seinem Büro saß. Rubin experimentierte später mit den Funktionen und dem ROM-Programm herum. Eines Tages machte jedoch ein Konstruktionsfehler Kermit den Garaus: Der Blattkontaktschalter im Vorderrad (siehe unter Technik) und das Timing für den zuständigen Sensor waren nicht schnell genug, als Kermit auf eine Treppe zurollte, was dazu führte, dass der Roboter mit lautem Alarmgeschrei diese herunterfiel und zerbrach. Die Reste hat Rubin schließlich mit nach Hause genommen.


Technik

Kermit besitzt zwei Ultraschallsensoren, zwei Mikrofone, einen Wärmesensor, einen Kopfteil, den der Roboter beidseitig um 180° drehen kann und somit quasi Rundumsicht hat. Hinzu kommt ein Geräuschsensor, der auf Klatschen reagiert – beim ersten Klatschen bleibt Kermit stehen und dreht seinen Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kommt, beim zweiten Klatschen setzt sich Kermit in Bewegung und fährt darauf zu. Der Wärmesensor ist ein wenig fehlerhaft, er sollte eigentlich auf Körperwärme reagieren und darauf zufahren, der Prototyp führ aber mit Vorliebe auf offene Feuerstellen zu und musste gestoppt werden. Ein Lichtsensor soll Kermit dabei helfen, seinen Weg im Dunkeln zu finden, in dem er auf eine Lichtquelle zufährt. Am "Hals" befindet sich ein Potentiometer mit integriertem Zugschalter, an den eine Leine eingehängt werden kann. Zieht man an der Leine, schließt sich der Schalter und Kermit versucht, sich wieder in eine aufrechte 90°-Position zu bringen, damit sich der Schalter wieder öffnet. Kermit besitzt außerdem eine Antenne, durch die er mit einer Fernbedienung gesteuert werden kann.

Im Inneren von Kermit befinden sich vier Platinen. Im Kopfteil befindet sich die Platine mit den Sensoren und Schaltern, darunter die Platine mit einem 6502-Prozessor, einem EEPROM und Arbeitsspeicher. Dir dritte Platine beherbergt den Audiotreiber (laut Owen Rubin, der den Prototypen besitzt, kört sich Kermit ein wenig wie R2-D2 an), auf der vierten Platine befinden sich die federgelagerten Schrittmotoren für die Hinterräder. Das Vorderrad ist mit einem Blattkontaktschalter ausgerüstet, der, wenn das Rad frei in der Luft hängt, auslöst und Kermit dazu zwingt, ein Alarmsignal ertönen zu lassen und sofort und schnell in den Rückwärtsgang zu treten.

Kermit kann zwar eigenständig umherfahren und auch kleine Aufgaben wahrnehmen, seine volle Persönlichkeit entfaltet er aber erst durch den Anschluss an einen Atari-Computer. Mit dessen Hilfe kann Kermit ferngesteuert weren und zu erweiterten Augen und Ohren des Benutzers werden. Der Roboter soll auch mit dem Computer kommunizieren können, dafür wurde eine ungewöhnliche Methode entwickelt. Kermit sollte mit Colleen oder einem anderen Computer mittels spezieller Tonsignale kommunizieren.


Nebenprodukte: Schachspiel und Spielzeugroboter

Eins der Nebenprojekte, welches aus Kermit entstand, ist das elektronische Brettspiel Robot Chess, dessen Entwicklung am 27. Juni 1978 begann. Sehr weit kamen die Arbeiten jedoch nicht, bevor das Projekt wieder eingestellt wurde. Ein sehr ähnliches Spiel wurde im Dezember 1980 von Applied Concepts unter dem Namen Boris HANDroid für 1400 Dollar vorgestellt.

Applied Concepts Boris Handroid
Applied Concepts Boris HANDroid

Das zweite Nebenprojekt wurde im September 1978 begonnen. Larry Nicholson wollte auf Kermits Basis eine Serie vereinfachter Spielzeugroboter schaffen, die auf einem einzelnen Kontrollchip sowie diversen Sensoren aufbauen. Die Mini-Kermits, wie sie zuerst genannt wurden, erhielten bald die Namen Varmit, Furmit und Wurmit. Die Mini-Kermits machten am 8. November 1978 den Schritt zu einem eigenständigen Projekt. Ron Milner und Gene Wise füllten das Atari Invention Disclosure-Formular unter dem Titel Toy Robot aus und gaben ihm den Namen Varmit. Ein voll funktionsfähiger Roboter wurde am 1. Dezember 1978 getestet. Varmit hat ein einzelnes angetriebenes Rad sowie zwei mitlaufende Räder, was das Spielzeug sehr wendig macht. Zur Geräuschausgabe werden ein Timerchip Typ 555 genutzt sowie ein 4-Bit Digital-Analog-Wandler und ein Kondensator zur Frequenzveränderung. Am selben Tag wurde Varmit von Bushnell dem Warner-Management unter Manny Gerard vorgestellt, was allerdings nicht gut ausging. Bushnell und Gerard lieferten sich wohl ein heftiges Wortgefecht, was im Endeffekt dazu führte, dass Bushnell den Posten als CEO bei Atari verlor. Bushnell stellte Mitte der 1980er Jahre die aus Varmit entstandene Petsters-Serie (ursprünglich Micro Pets), die in der Gestalt von Hunden, Katzen, Hamstern und sogar Spinnen daherkam.
Letzte Bearbeitung: 23. Oktober 2022